Arbeitslohn von dritter Seite
Aktuelles
Der Bundesfinanzhof hat am 16. Februar 2022 zum anhängigen Verfahren VI R 53/18 ein Urteil gesprochen. Es ging um die Klärung der Frage, wann Arbeitslohn von dritter Seite überhaupt vorliegt.
Danach sind Rabatte an Arbeitnehmer von verbundenen Unternehmen steuerpflichtiger Arbeitslohn.
Grundsätzliches
Es handelt sich hierbei um Einnahmen eines Arbeitnehmers, die ihren Leistungsgrund im Dienstverhältnis zum eigenen Arbeitgeber haben, jedoch von einem Dritten gezahlt werden. Diese Einnahmen gehören als Lohnzahlung durch Dritte zum steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Die Rechtsgrundlage für den Lohnsteuerabzug bei Lohnzahlung durch Dritte findet sich in § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG:
Der Lohnsteuer unterliegt auch der im Rahmen des Dienstverhältnisses von einem Dritten gewährte Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen erbracht werden; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn Arbeitgeber und Dritter verbundene Unternehmen im Sinne von § 15 des Aktiengesetzes sind.
Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die von einem Dritten gewährten Bezüge am Monatsende schriftlich mitzuteilen.
§ 38 Abs. 4 Satz 3 EStG:
Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die von einem Dritten gewährten Bezüge (Absatz 1 Satz 3) am Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums anzugeben; wenn der Arbeitnehmer keine Angabe oder eine erkennbar unrichtige Angabe macht, hat der Arbeitgeber dies dem Betriebsstättenfinanzamt anzuzeigen.
Die Übertragung der Arbeitgeberpflichten nach § 38 Abs. 3a Satz 2 ff. EStG auf einen Dritten kann vom Finanzamt auf schriftlichen Antrag zugelassen werden. Die Zustimmung kann nur erteilt werden, wenn der Dritte für den gesamten Arbeitslohn des Arbeitnehmers die Lohnsteuerabzugsverpflichtung übernimmt (R 38.5 LStR).
Zum Arbeitsentgelt gehören alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Damit ist das Arbeitsentgelt von Dritten grundsätzlich auch als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt zu verbeitragen.
Der Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 EStG ist nicht anwendbar, da sich diese Vergünstigung nach dem Gesetzeswortlaut nur auf Rabatte bezieht, die für Waren und Dienstleistungen des Arbeitgebers gewährt werden. Arbeitgeber ist, wer die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durch einen Arbeitsvertrag fordern kann und das Arbeitsentgelt schuldet.
Grundsätze des Bundesfinanzhofs:
- Die Zuwendung eines Dritten kann ausnahmsweise Arbeitslohn sein, wenn sie als Entgelt für eine Leistung beurteilt werden kann, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll (Urteil vom 28.02.2013, VI R 58/11 und Urteil vom 07.08.2014, VI R 57/12).
- Kein Arbeitslohn liegt vor, wenn die Zuwendung auf anderen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Drittem gründet (Urteil vom 28.02.2013, VI R 58/11 und Urteil vom 07.08.2014, VI R 57/12).
- Bei Leistungen Dritter liegt Arbeitslohn nur vor, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die von Dritten eingeräumten Vorteile nicht auf deren eigenwirtschaftlichen Interessen gründen, sondern die für den Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung entgelten sollen (Urteil vom 10.04.2014, VI R 62/11).
Verbilligter Bezug von Waren von einem Lieferanten des Arbeitgebers durch Mitarbeiter im Rahmen eines sog. "Mitarbeiter-Vorteilsprogramms"
In vielen Fällen können Arbeitnehmer von Lieferanten oder Kunden ihres Arbeitgebers verbilligt Waren beziehen.
Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs schafft dazu Klarheit.
Bundesfinanzhof Urteil vom 18.10.2012, VI R 64/11
Arbeitslohn von dritter Seite - Verbilligter Bezug von Waren von einem Lieferanten des Arbeitgebers durch Mitarbeiter im Rahmen eines sog.
"Mitarbeiter-Vorteilsprogramms"
Leitsätze:
1. Auch Preisvorteile und Rabatte, die Arbeitnehmer von Dritten erhalten, sind nur dann Lohn, wenn sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Davon kann ausgegangen werden, wenn der Dritte damit anstelle des Arbeitgebers die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgilt, indem der Arbeitgeber etwa einen ihm zustehenden Vorteil im abgekürzten Weg an seine Mitarbeiter weitergibt.
2. Arbeitslohn liegt in solchen Fällen nicht allein deshalb vor, weil der Arbeitgeber an der Verschaffung der Rabatte mitgewirkt hat; dies gilt erst recht, wenn er von der Rabattgewährung nur Kenntnis hatte oder hätte haben müssen (Abgrenzung gegenüber BMF-Schreiben vom 27. September 1993 IV B 6-S 2334-152/93, BStBl I 1993, 814, auf das sich das BMF-Schreiben vom 27. Januar 2004 IV C 5-S 2000-2/04, BStBl I 2004, 173 zu der ab dem 1. Januar 2004 gültigen Rechtslage bezieht).
Auszüge aus den Entscheidungsgründen:
Denn allein der Umstand, dass X den Preisnachlass lediglich den Mitarbeitern der Klägerin und nicht auch Arbeitnehmern anderer, nicht von ihr belieferter Krankenhäuser gewährt hat, vermag den erforderlichen Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteilsgewährung und Arbeitsleistung entgegen der Auffassung des FA nicht zu begründen.
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Auch die vermeintliche Mitwirkung der Klägerin an der Verschaffung der von X gewährten Preisvorteile erlaubt es im Streitfall nicht, die streitigen Rabatte als Arbeitslohn Dritter einzuordnen.
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Zwar kann die Mitwirkung des Arbeitgebers an Preisvorteilen (Rabatten), die Arbeitnehmern von dritter Seite eingeräumt werden, dafür sprechen, dass die Drittzuwendung wirtschaftlich betrachtet Arbeitslohn ist. Zwingend ist dies jedoch nicht.
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Entscheidend ist vielmehr, ob die Zuwendung des Dritten Prämie oder Belohnung für eine Leistung ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707, m.w.N.).
Damit stellt die bloße Gelegenheit zur Teilnahme an einem Mitarbeiter-Vorteilsprogramm noch keine steuerpflichtige Zuwendung dar. Liegt diese Entscheidung - wem und in welcher Höhe Rabatte eingeräumt werden - bei dem Dritten, ohne dass der Arbeitgeber darauf Einfluss genommen hat, fehlt es am Zufluss von Arbeitslohn.
Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen kein Arbeitslohn Dritter
Mit Urteil vom 10. April 2014 (VI R 62/11) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass kein Arbeitslohn vorliegt, wenn Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen sowohl Arbeitnehmern von Geschäftspartnern als auch einem weiteren Personenkreis (Angehörige der gesamten Versicherungsbranche, Arbeitnehmer weiterer Unternehmen) eingeräumt werden.
Bundesfinanzhof Urteil vom 10.4.2014, VI R 62/11
Arbeitslohn Dritter; Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen
Leitsätze:
Werden Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen sowohl Arbeitnehmern von Geschäftspartnern als auch einem weiteren Personenkreis (Angehörige der gesamten Versicherungsbranche, Arbeitnehmer weiterer Unternehmen) eingeräumt, so liegt hierin kein Arbeitslohn.
Auszug aus den Entscheidungsgründen:
Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur seinen Arbeitnehmern, sondern auch fremden Dritten üblicherweise einräumt, begründen bei den Arbeitnehmern keinen Arbeitslohn. Soweit und in der Höhe, als Preisnachlässe auch im normalen Geschäftsverkehr unter fremden Dritten erzielt werden können, spricht nichts dafür, dass diese Rabatte, wenn sie auch Arbeitnehmern eingeräumt werden, als Vorteil für deren Beschäftigung gewährt werden. Denn es fehlt an einem aus dem Arbeitsverhältnis stammenden Vorteil als Grundvoraussetzung für Einkünfte i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG ....Dies gilt erst recht, wenn es um von Dritten gewährte Preisvorteile geht (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 229, 346, BStBl II 2010, 1022, zum Verzicht auf Abschlussgebühren durch Dritte). Denn bei Leistungen Dritter liegt Arbeitslohn nur vor, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die von Dritten eingeräumten Vorteile nicht auf deren eigenwirtschaftlichen Interessen gründen, sondern die für den Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung entgelten sollen.
BMF-Schreiben vom 20.01.2015: Steuerliche Behandlung der Rabatte, die Arbeitnehmern von dritter Seite eingeräumt werden
Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 18.10.2012 und 10.04.2014 hat das Bundesministerium der Finanzen Grundsätze zur Anwendung der Urteile herausgegeben. Auszug aus dem BMF-Schreiben vom 20.01.2015:
Preisvorteile, die Arbeitnehmern von dritter Seite eingeräumt werden, sind Arbeitslohn, wenn sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und wenn sie im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Ein überwiegend eigenwirtschaftliches Interesse des Dritten schließt die Annahme von Arbeitslohn dagegen in der Regel aus. Arbeitslohn liegt auch dann nicht vor, wenn und soweit der Preisvorteil auch fremden Dritten üblicherweise im normalen Geschäftsverkehr eingeräumt wird (z. B. Mengenrabatte).
Es spricht dafür, dass Preisvorteile zum Arbeitslohn gehören, wenn der Arbeitgeber an der Verschaffung dieser Preisvorteile aktiv mitgewirkt hat.
Rabatte an Arbeitnehmer von verbundenen Unternehmen sind steuerpflichtiger Arbeitslohn
Mit Urteil vom 16. Februar 2022 zum anhängigen Verfahren VI R 53/18 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Rabatte an Arbeitnehmer von verbundenen Unternehmen steuerpflichtiger Arbeitslohn sind.
Leitsätze:
Gewährt ein Automobilhersteller Arbeitnehmern eines Zulieferers, an dem er kapitalmäßig beteiligt ist und dem er eigene Arbeitnehmer überlässt, die nämlichen Rabatte beim Erwerb von Fahrzeugen wie seinen eigenen Arbeitnehmern, handelt es sich bei den Preisnachlässen um lohnsteuerbaren Drittlohn.
Auszüge aus den Entscheidungsgründen:
§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG gilt nach ständiger Senatsrechtsprechung ausschließlich für solche Zuwendungen, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses gewährt. Für Vorteile --wie hier-- von Dritten greift die Steuerbegünstigung hiernach selbst dann nicht ein, wenn die Dritten --wie etwa konzernzugehörige Unternehmen-- dem Arbeitgeber nahestehen (z.B. Senatsurteil vom 26.04.2018 - VI R 39/16, BFHE 261, 485, BStBl II 2019, 286, Rz 6, m.w.N.). Etwas anderes gilt auch nicht, wenn --wie vorliegend-- Drittlohn in Rede steht und der Hersteller am Herstellungsprozess beteiligte Arbeitnehmer eines Dritten durch die Gewährung des Personalrabatts mit eigenen Arbeitnehmern gleichstellt. Zwar mag eine "Gleichbehandlung" der Arbeitnehmer (auch) im Hinblick auf den Rabattfreibetrag wünschenswert erscheinen. Solange der Arbeitgeber der Drittlohnempfänger jedoch nicht derart gewichtig am Herstellungsprozess der "rabattierten" Ware beteiligt ist, dass er bei wertender Betrachtung (ebenfalls) als Hersteller anzusehen ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 261, 485, BStBl II 2019, 286, Rz 11, m.w.N.), kann der Dritte dessen Arbeitnehmern den Rabattfreibetrag nicht vermitteln. Denn die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut nur für Waren und Dienstleistungen, die im Unternehmen des Arbeitgebers hergestellt, vertrieben oder erbracht werden.
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