Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung - Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher

Umsetzung der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (Leiharbeits-Richtlinie)

LAG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung Nr. 01/13 vom 09.01.2013 zum Urteil 15 Sa 1635/12

Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung - Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher

Die Arbeitnehmerüberlassung bedarf nach § 1 Abs. 1 Arbeitnehmer-überlassungsgesetz (AÜG) der Erlaubnis und erfolgt vorübergehend. Eine Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis führt nach § 10 Abs. 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer. Im Gesetz ist nicht näher geregelt, wann ein vorübergehender Einsatz anzunehmen ist und welche Rechtsfolgen bei einer nicht nur vorübergehenden Leiharbeit eintreten.

Der Entleiher betreibt Krankenhäuser und setzt als Krankenpflegepersonal bei einem konzerneigenen Verleihunternehmen beschäftigtes Personal ein; die Beschäftigung erfolgt auf Dauerarbeitsplätzen, für die keine eigenen Stammarbeitnehmer vorhanden sind. Das Verleihunternehmen besitzt eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Die Kammer 15 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hat in diesem Fall heute entschieden, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer besteht. Die Kammer hat dabei angenommen, eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung sei von der erteilten Erlaubnis nicht gedeckt; es komme daher ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer zustande. Es stelle einen "institutionellen Rechtsmissbrauch" dar, wenn das konzerneigene Verleihunternehmen nicht am Markt werbend tätig sei und seine Beauftragung nur dazu diene, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Demgegenüber hatte die Kammer 7 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in einem Parallelverfahren das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer verneint (Pressemitteilung 37/12).

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.01.2013 - 15 Sa 1635/12
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012 - 7 Sa 1182/12

Beide Kammern des Landesarbeitsgerichts haben die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

In einem früheren Fall hatte die Kammer 7 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer verneint (Urteil 7 Sa 1182/12 vom 16.10.2012). Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wurde ebenfalls zugelassen.

Mit Beschluss vom 19.09.2012 (17 TaBV 124/11) entschied schon das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, dass die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern seit der Novellierung des AÜG unzulässig ist. Das Gericht gesteht dem Betriebsrat des Entleiherbetriebes das Recht zu, aus diesem Grunde seine Zustimmung zu der Einstellung zu verweigern.

Beschluss vom 19.09.2012, 17 TaBV 124/11
Leitsätze:

  1. Der Dauerverleih von Arbeitnehmern im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist seit der Neufassung des AÜG vom 20.12.2011 (BGBl I. S. 2854), mit dem die Richtlinie 2008/104/EG umgesetzt wurde, unzulässig.
  2. Beabsichtigt der Arbeitgeber die unbefristete Einstellung einer Arbeitnehmerin auf einem sog. Dauerarbeitsplatz, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Gesetzesverstoßes verweigern.
  3. Stellt der Arbeitgeber grundsätzlich nur noch Leiharbeitnehmer ein, um eine Senkung der Personalkosten zu erreichen, so kann dies unter Berücksichtung aller Umstände des Einzelfalls als institutioneller Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründen. In einem solchen Fall kann nicht festgestellt werden, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).

Weitere Entwicklung:
Das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes stand auf der Tagesordnung der 951. Sitzung des Bundesrates am 25.11.2016. Der Bundesrat hat zugestimmt. Damit tritt das Gesetz am 01.04.2017 in Kraft (Regelungen).


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